Geschichte von Junge Mütter/Väter

  • In den Jahren 1991/1992 begann das Kinderheim Girlitzweg in Berlin Neukölln sich zu reformieren.

    Zum einen gab es einen Heimleiterwechsel, da Herr Heinrich verstorben war und so übernahm Hennig Till die Aufgabe die Einrichtung zu leiten. Zum anderen gab es unter dem Betreuungspersonal den großen Wunsch, die damalige Heimerziehung zu reformieren.

    Eine Konzeptions AG wurde gegründet, welche Herr Till und Herr Dahlke damals förderten.

    Die Reformen wurden dann später durch Gerd Ortmann/Heide Neunert kontinuierlich weiter geführt.

    Ziel der Reform sollte sein:

    • Bedarfsgerechte Betreuungsformen für Kinder und Jugendliche zu entwickeln
    • Verselbstständigungsangebote zu entwickeln
    • Die Wünsche und Fähigkeiten der Kollegen zu fördern
    • Die Kinder nach Möglichkeit wieder zurück in die Herkunftsfamilien zu führen
    • Umwandlung der 8 Familienanalogengruppen. Daraus entstanden im Laufe der Zeit: WG´s, betreutes Einzelwohnen für Jugendliche, Wab, Krisengruppe, Tagesgruppe, Mädchengruppe, Mutter-Kind-Gruppe und Jugendgruppe
    • Anpassung der Heimerziehung an das damals neue Kinder und Jugendhilfe Gesetz
    • Supervision für jedes Team

    Heike Kawalek machte sich im Jahr 1992 auf den Weg ihrer Reformidee nach zu gehen. Sie begann eine intensive Recherche in Mutter-Kind-Einrichtungen. Sie informierte sich vor Ort, über die Arbeit mit jungen Müttern und den Erfahrungen der Kollegen mit dieser Zielgruppe. Erste konzeptionelle Überlegungen wurden verschriftlicht und Mitstreiter im Kollegenkreis gesucht.

    Montag den 2.11.1992 erster Arbeitstag von Heike Kawalek und somit die Gründung einer Mutter-Kind Gruppe im Kinderheim Girlitzweg (Später Kinder und Jugendhilfezentrum Girlitzweg). Standort war die Neuköllnische Allee 95+95a, in Berlin Neukölln, da dort Stadt und Land gerade einen Wohnkomplex sanierte.

    Besondere Wohnform für Mutter mit Kind war die anfängliche Begrifflichkeit für den Senat und die Jugendämter, da die Wohnform BEW (Betreutes Einzelwohnen), ergänzt durch Gruppenangebote, sowie die Sicherstellung einer Kinderbetreuung anbot.

    Träger war damals das Bezirksamt Neukölln, die aufgrund einer Bedarfsanalyse ein solches Angebot im Rahmen der Jugendhilfe benötigten und es somit auch gegenüber dem Senat förderten.

    Donnerstag 1.04.1993 erster Arbeitstag von Thomas Tack und somit ein zweites Teammitglied.

    Es folgten weitere konzeptionelle Überlegungen:

    Aus dem Begriff Muki (Mutter mit Kind) wurde in ersten Haltungsfragen mit den Kollegen im Kinderheim, die Abkürzung JuMuVa (Junge Mütter/Väter) erarbeitet. Wir wollten deutlich machen, dass es für uns aufgrund der Wohnform vorstellbar ist, auch Väter zu betreuen.

    Bedingt durch, dass damals neue Kinder- und Jugendhilfegesetz und der Reformbewegung des Kinderheimes, wollten wir sowohl für alleinerziehende Mütter als auch für alleinerziehende Väter ein Betreuungsangebot schaffen.

    Da die Wohnform große Auswirkungen auf die Pädagogik hat und die jungen Menschen nicht in Wohngemeinschaften wohnen wollten, entstand damals eine Mischform der Betreuung. Eigenverantwortlich in einer Wohnung leben und selbst für Strom und Gas aufkommen, (BEW) sowie von den Gruppenangeboten eines Treffpunkts zu profitieren.

    In den Anfängen war eine 1 Zimmer Wohnung, die mit den Kollegen des BEW für Jugendliche geteilt werden musste, unser gemeinsames Büro/ Treffpunkt.

    5 Kollegen, die aufsuchende Arbeit leisteten, mussten 4 Familien und 16 Jugendliche in einer kleinen 30 qm Büro/Treffpunkt-Wohnung betreuen.

    Erst 2 Jahre später gelang es, eine zweite Wohnung für die Mutter/Vater Kind Einrichtung anzumieten.

    Später wurde für die Mutter/Vater Kind Gruppe im Erdgeschoss der Neuköllnischen Allee 120qm Gruppenräume (Kinderschlafzimmer, Gruppenraum, Wohnküche, Kinderspielbereich und Besprechungszimmer) angemietet.

    1998 kam Petra Milster hinzu und das 3er-Team war geboren.

  • Die Überführung aller Berliner Kinderheime in das Jugendaufbauwerk (JAW) führte dazu, dass die Einrichtungen des JAW versuchten, einen einheitlichen Standard bei der Betreuung von jungen Müttern/Vätern zu entwickeln. Hier sei ausdrücklich Rita Bünemann de Falcon erwähnt, die immer wieder achtsam darauf hin wirkte, die Pädagogik an den Lebenswelten der Eltern an zu passen und die fachliche Steuerung der Gruppen übernahm.

    Ein weiterer wichtiger Ratgeber waren immer wieder auch die Mitarbeiter*innen des Jugendamtes, insbesondere Robert Schramm.

    Kurz bevor das Jugendaufbauwerk abgewickelt werden sollte, gründeten wir Drei im Jahr 2004 den Verein Junge Mütter/Väter e.V., der acht Monate später, in letzter Minute, vom JAW die Mutter/Vater Kind Gruppe übernahm. Der Verein startete mit 5 Familien in die Jugendhilfe. Zu den Mitgliedern des Vereins gehören neben unserem langjährigen Supervisor Herr Rosemeier, unsere ehemalige Klientin Eliza sowie drei weitere Mitglieder an.

    Aufgrund der großen Nachfrage und unseres Rufes (junge Mütter/Väter schafft keine Probleme sondern löst sie) konnten wir in Zusammenarbeit mit der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land unser Angebot schnell auf 8 Betreuungseinheiten erweitern.

    Eine Besonderheit der Einrichtung ist und war schon immer, dass die jungen Frauen ein zusammenleben mit ihrem Partner ausprobieren dürfen. Die jungen Männer dürfen sich nicht polizeilich anmelden, dürfen sich aber bei uns aufhalten, solange sie dem Familiensystem gut tun. Die junge Frau muss lernen ihre Wohnung als Schutzraum wahr zu nehmen und nur Menschen zu zu lassen, die ihr und dem Kind gut tun.

    Da auch die Jugendämter immer mehr erkannten, dass es sinnvoll ist die Partner/Väter miteinzubeziehen, wurden wir verstärkt von und für junge Familien angefragt.

    Schwerpunkte der Arbeit sind u.a. nach wie vor:

    • Ressourcenorientierung
    • Entwicklung eigener Lebensperspektiven
    • Begleitung beim Aufbau eines sozialen Netzes
    • Hilfestellung bei der schulischen und beruflichen Planung und Gestaltung
    • Grenzen setzen ohne Gewalt
    • Erhalt der Väter als Bezugsperson
    • Geburtsvorbereitung
    • Sachkundige Begleitung beim Aufbau der Mutter/Vater Kind Beziehung
    • Achtsame Begleitung der kindlichen Entwicklungsschritte
    • Vermittlung von Pflege und emotionalen Bedürfnissen des Kindes
    • Schuldenabbau
    • Umgang mit Finanzen
    • Haushaltsführung

    Eine interne Reform der Teams führte im Jahr 2014 dazu, dass wir in Tempelhof (Werderstr 19) einen zweiten Standort mit gleichen Betreuungsinhalten aufbauen konnten und die Betreuungseinheiten auf heute 16 angestiegen sind.

    Neue Mitarbeiter*innen konnten gewonnen werden. Frau Ueberall schon seit über 11 Jahren dabei, Frau Henke 9 Jahre, Frau Gabriel 7 Jahre und unsere vielen anderen Mitarbeiter*innen führen mit großer professioneller Mitarbeit*innen die Arbeit mit fort.

    Flexibel, möglichst nicht erziehend die jungen Familien dazu zu bewegen, ihren Weg im Leben zu finden, ohne dabei die Entwicklung der Kinder aus den Augen zu verlieren, ist unser Herzenswunsch. Wir haben nur eine große Regel: Täglicher Kontakt.

    Respekt, Vertrauen, die Hilfe zur Selbsthilfe, die Vermittlung von Inhalten der kindlichen Entwicklungen/Bedürfnissen und Pflege sind selbstverständlich. Sozialraumanbindungen und Kooperationen mit anderen Institutionen sind ebenso Standard wie die monatliche Supervision der Teams.

    Der Vereinszweck „Förderung von jungen Mütter und Väter“ wird in vielen Situationen, auch für Ehemalige gelebt. Die Garantie, das Ehemalige zu uns kommen können und dass wir Hilfe und Beratung geben, wird immer wieder genutzt.

    Diese Haltung, dass die jungen Menschen lernen sollen selbst zu entscheiden, ohne das es immer gleich Verbote gibt, ist für alle anstrengend. Die Pädagogen müssen immer wieder individuelle Lösungen entwickeln und die jungen Menschen müssen sich im täglichen Kontakt, uns Betreuern stellen.

    Und so versuchen 3 Teams unter einem Dach gemeinsam den Anforderungen einer guten Mutter/Vater Kind Einrichtung gerecht zu werden und fortzuführen.

    Autor: Thomas Tack
    Berlin, 29.06.2017